"Jetzt ist die Zeit!" Abschied und Dank

Abschiedsgedanken von Pfarrerin Ursula Arnold nach über 20 Jahren Tätigkeit in der evang. Pfarrgemeinde Verklärungskirche Am Tabor.

 
von Gast

Jetzt ist die Zeit“ für mich als Pfarrerin Abschied zu nehmen und in den Ruhestand zu gehen.

Jetzt ist die Zeit … diese Zeitansage ist das Motto für den Deutschen Evangelischen Kirchentag 2023 vom 7. – 11. Juni in Nürnberg und so großartig passend für meine Abschiedsgedanken. Es sind die ersten Worte Jesu aus dem Markusevangelium, nach einer neuen Übersetzung, womit er sein Reden und Wirken beginnt.

„Nachdem Johannes gefangen genommen worden war, ging Jesus nach Galiläa und verkündete die frohe Botschaft Gottes. Er sprach: Jetzt ist die Zeit: Gottes gerechte Welt ist nahe. Kehrt um und vertraut der frohen Botschaft!“ (Mk,1,14-15)

Es ist an der Zeit, über die Zeit nachzudenken! Über eine so lange Zeit, die ich als Pfarrerin bei Ihnen und mit Ihnen Am Tabor in der Verklärungskirche verbringen durfte. Es sind über 20 Jahre. Wehmütig kommen Bilder, Situationen und Erinnerungen herauf, die mir diesen Ort und viele Menschen an meiner Seite so vertraut machen. Wehmütig werde ich, wenn ich an die Zeit des Advents und Weihnachten im vergangenen Jahr denke: hier meine letzten Weihnachten. Die Versuche der Passionsandachten und Abendgottesdienste, die ökumenischen Exerzitien im Alltag, der Gründonnerstag, die Osternacht und Ostern mit ökumenischen Emmausgang in den Wäldern des Wienerwalds, die Konfirmation, alles ein letztes Mal mit Ihnen. So viele Gottesdienste, Gremiensitzungen, Feste, Feiern, Schulgottesdienste, Taufen, Trauungen, Beerdigungen. Alles hatte seine Zeit und ich darf sie nun zurücklegen in Gottes Hände.

Mit Freude denke ich an Sie, an all die Menschen, die mich wohlwollend begleitet haben, ob als KollegInnen, ob „groß“ ob „klein“, ob „alt“ oder „jung“, mit all ihren Fragen, Anforderungen, Ratschlägen und Lebenserfahrungen. Menschen begleiten, sie fördern und ermutigen, damit sie ihren Weg „aufrichtig“ gehen können, ihr Christsein in der heutigen Welt leben und ihren Glauben zur Sprache bringen können und sich nicht mit Streitereien, Rechthaberei und Boshaftigkeit zermürben zu müssen, war ein großes Anliegen in meiner Arbeit als Pfarrerin.

„Jetzt ist DIE Zeit“ und keine andere, um zu gehen, ein Ende zu setzten und eine neue Zeit zu erleben. Es ist noch nie gut und gerecht und friedlich zugegangen in dieser Welt. Wir erleben Leid und ungelöste Probleme, Verwirrung, Angst und Krieg. Und im Moment haben viele von uns mindestens das Gefühl, dass wir gerade eine besondere Zeit durchmachen oder dass sich die Zeit gerade sehr verändert. Viele Sicherheiten sind uns verloren gegangen oder drohen wegzubrechen.

„Jetzt ist die Zeit!“ Ich glaube, dass Jesus hier nicht nur mit erhobenen Zeigefinger den großen Handlungsappell austeilt, die Zeit nun endlich sinnvoll zu nützen, sondern er meint hier ganz konkret, dass die Zeit erfüllt ist, gefüllt, überfließend, voll – ohne Mangel. Und so möchte ich mit Ihnen noch eine Geschichte aus der Bibel teilen, die der Pfarrer und Schriftsteller Lothar Zenetti in seinem Buch: „Die wunderbare Zeitvermehrung. Variationen zum Evangelium“, E. Wevel Verlag Donauwörth, 5. Aufl. 2000, S.121 ff., so umgeschrieben hat:

„Als es Abend wurde, traten seine Jünger zu ihm und sprachen: „Herr, die Zeit ist vorgerückt, es ist spät. Entlasse die Menge. Sie haben keine Zeit und wir auch nicht!“ Da wandte sich Jesus an seine Jünger: „Weshalb sollen sie weggehen? Gebt ihnen doch Zeit, gebt ihnen von eurer Zeit!“ Da sagten sie zu ihm: „Wir haben ja selber keine, und was wir haben, dieses wenige, wie soll das reichen, um uns alle und am Ende noch um jeden einzelnen zu kümmern?“ Doch fand sich, dass einer von ihnen noch fünf Termine frei hatte, zur Not, mehr nicht, dazu zwei Viertelstunden. Und Jesus lächelte und sagte: „Gut, das ist doch schon etwas! Stellen wir’s den Leuten zur Verfügung!“ Und er ließ die Volksscharen erneut Platz nehmen. Er nahm die fünf Termine, die sie hatten und dazu die beiden Viertelstunden. Er blickte auf zum Himmel und sprach ein Segensgebet. Dann teilte er das Vorhandene auf und ließ austeilen die kostbare Zeit, die sie hatten, durch seine Jünger an die vielen Leute. Und siehe, es reichte nun das wenige für alle. Keiner ging leer aus. Ja, sie füllten am Ende noch zwölf Tage mit dem, was übrig war an Zeit. Und dabei waren es an die fünftausend Männer, die Frauen und Kinder gar nicht gerechnet. Es wird berichtet, dass die Jünger staunten. Denn alle sahen es: Selbst das Unmögliche wird möglich durch ihn.“

Diese wunderbare Zeitvermehrung:

Gottes Zeit: unendlich, umfassender. Geborgen in dieser göttlichen Zeit im Hier und Jetzt. Eine von Gott gesegnete, überfließende, unsere gewöhnlichen Zeitstrickmuster auflösende, wünsche ich Ihnen und mir für das was vor uns liegt.

Ihre, in guten Gedanken scheidende Pfarrerin Ursula Arnold

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