Ein Netzwerk gegen die Ohnmacht

Seit nunmehr zehn Jahren gibt es zu Flucht und Asyl einen regen Austausch zwischen evangelischen und katholischen Pfarrgemeinden. Ausgehend von einzelnen Schicksalen, von praktischer Hilfe in den Pfarrgemeinden, setzt das Pfarrnetzwerk Asyl regelmäßig Zeichen und fordert gesellschaftliche Verantwortung ein. Denn was Schutz suchenden Menschen in Österreich und an den EU-Außengrenzen widerfährt, sollte uns nicht gleichgültig lassen.

 
von Petra Jens
Logo Pfarrnetzwerk Asyl

Roswitha Feige (Pfarre St. Nepomuk in 1020) und David Neuber (Pfarre Breitenfeld in 1080) vom Pfarrnetzwerk Asyl im Interview mit Petra Jens (Verklärungskirche in 1020). Das Gespräch wurde zu Jahresbeginn 2021 geführt.

Was war denn der Anlass der Gründung eines solchen Pfarrnetzwerkes?

Roswitha Feige:

Es war im Jahr 2010, damals konnte man für Menschen mit negativem Asylbescheid noch mit etwas Glück und Beharrlichkeit humanitäres Bleiberecht erwirken. Da in einzelnen Pfarrgemeinden kompliziertere Fälle betreut wurden, gab es einfach den Bedarf nach einem Austausch zu Fragen des Bleiberechts. Fünf Pfarrgemeinden aus Wien und Niederösterreich haben sich dann zu diesem Netzwerk zusammengeschlossen.

Warum ein Pfarrnetzwerk - hätten die bestehenden Organisationen im Bereich Flüchtlingshilfe nicht ausreichend weiterhelfen können?

Roswitha Feige:

Natürlich haben uns Flüchtlingsorganisationen beraten, besonders in juristischen Fragen. Bei der konkreten Hilfe im Alltag – wie vermittelt man eine Wohnung, wie unterstützt man bei der Jobsuche usw. – da ging es mehr um ein „learning by doing“. Da war es schon hilfreich, sich mit anderen Pfarrgemeinden auszutauschen.

Von Anfang an wollten wir neben der konkreten Hilfe für Einzelpersonen, auch im Rahmen des Gemeindelebens auf die Themen aufmerksam machen und gemeinsam Bewusstseinsarbeit leisten. Daraus entstanden spirituelle Angebote wie das „Totengedenken für Verstorbene an den EU-Außengrenzen“ oder auch Kreuzwege, die sich mit Flucht und Asyl auseinandersetzen. Eine Religionsklasse in Schwechat hat damals im Zuge eines Projektes auch unser Logo entworfen, das wir bis heute verwenden.

David Neuber:

Spätestens im Sommer 2015, als viele Menschen auf der Flucht in Wien ankamen, hat sich die Struktur des Pfarrnetzwerkes bewährt. In diesem Jahr erhielten wir einen starken Zuwachs von weiteren Pfarrgemeinden. Derzeit gibt es 14 Mitglieder. Alle haben eigene Ideen, und so sind weitere Initiativen entstanden – etwa ein themenbezogener Adventkalender und eine Mahnwache in der Karwoche.

Eure Arbeit bezieht sich aber nicht nur auf Bewusstseinsbildung und Hilfe für Menschen, die hier in Österreich Schutz suchen. Ihr seid auch an der EU-Außengrenze tätig?

Roswitha Feige:

2016 hatten wir Kontakt nach Budapest, von wo uns der Hilferuf einer Ordenschwester erreichte, die sich unter schwierigen politischen Bedingungen für Flüchtlinge einsetzt. Als dann die so genannte „Balkanroute“ komplett geschlossen wurde, kamen in Wien immer weniger Menschen an, um Asyl zu beantragen…

David Neuber:

… Aber die Menschen waren ja nicht verschwunden, sie waren nach wie vor auf der Flucht, nur eben regelrecht „gestrandet“ an der EU-Außengrenze. Auch diese Menschen gehen uns etwas an, und darum haben wir auch Schwerpunkte für die Hilfe vor Ort gesetzt.

Ende 2019 haben wir eine Reise nach Bosnien-Herzegowina gemacht, in die Stadt Bihać. Dort lebten Menschen im Camp Vučjak regelrecht auf einer Müllhalde. Aus dieser Reise, und den dabei entstandenen Kontakten, haben sich zwei Hilfsprojekte vor Ort  entwickelt: „Familien helfen Familien“ und „Schutzhäuser“ für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die Gewalt erlebt haben. Hier kooperieren wir mit dem Sozialzentrum der Stadt Bihać und den Österreichischen Kinderfreunden.

Was kann man tun, um eure Arbeit zu unterstützen? Wie können sich Pfarrgemeinden konkret in das Netzwerk einbringen?

David Neuber:

Das ist ganz unterschiedlich. Dem Netzwerk können alle beitreten, die als Grundhaltung Menschen auf der Flucht im Blick haben. Man kann sich mit Fragen zu Einzelfällen an das Leitungsteam wenden, oder auch bestimmte Ressourcen einbringen. Etwa eine günstige Wohnung, freie Plätze bei Deutschkursen usw. Es gibt aber auch Mitglieder, die selbst keine Asylsuchenden betreuen, sondern sich an der Bewusstseinsarbeit beteiligen. Da ist die Bandbreite riesig – vom Spendensammeln für Hilfsprojekte bis zum Bildungsabend mit ReferentInnen.

Wir freuen uns über jede Form der Mitgliedschaft, über jede Form der Unterstützung!

Liebe Roswitha Feige, lieber David Neuber, danke für das Interview.

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